Wenn man weiß, dass praktisch alle
Flugzeugentwicklungen nach 1933 streng zentral vom RLM in
Auftrag gegeben wurden, mutet die für die BV 144 in der
Literatur zu findende Darstellung recht seltsam an, dass die
Lufthansa mitten im Krieg von sich aus eine völlig in die
Rüstung eingespannte Firma wie Blohm und Voss mit der Entwicklung
eines für den zivilen Luftverkehr bestimmten Flugzeugs
"beauftragt" haben soll. Das konnte die DLH ganz sicher nicht
und noch weniger, einfach zwei Prototypen bauen lassen. So kann
es also sicher nicht zum Entstehen des Flugzeugs gekommen sein.
Es fällt auf, dass zur selben Zeit wie Blohm und Voss noch mindestens zwei
weitere deutsche Firmen sich mit Entwürfen für etwas aus dem
Rahmen des Üblichen fallende Transportflugzeuge befassten. Das
war Arado (Ar 232) und Fieseler (Fi 333). Dass auch Blohm und Voss mit der
BV 144 eher in diese Richtung passt als in einen angeblichen
DLH-Auftrag, dürfte einleuchten. Auch die weitere Bearbeitung
des in Hamburg ausgearbeiteten Entwurfs durch eine französische
Firma war nur möglich, wenn sie vom RLM veranlasst worden ist.
So kam es, dass der größte Teil der Konstruktionsarbeiten von
französischen Ingenieuren durchgeführt wurde und dass
schließlich auch der Musterbau nach Frankreich verlegt wurde.
Zwei Flugzeuge hätten bei der Societé Louis Bréguét in Anglet,
einem Flugplatz zwischen Bayonne und Biarritz, gebaut werden
sollen, von denen aber nur eines fertig gestellt wurde und auch
das erst nach dem Abzug der Deutschen. Nach dem Transport mit
der Bahn nach Toulouse wurde es dort unter französischen
Hoheitszeichen von den Piloten Jean Gonord vom 14. März 1946 an
erprobt. Weiter wurde das Projekt aber leider nicht verfolgt.
Das Flugzeug dürfte dann verschrottet worden sein. Die BV 144 V
2 wurde offensichtlich gar nicht mehr fertiggebaut. Die
herausragende konstruktive Besonderheit der BV 144 war der
Flügel, dessen Einstellwinkel dank der Lagerung des Rohrholms am
Rumpf in großen Kugellagern für Start und Landung verändert
werden konnte. Das bedeutete, dass der Rumpf während des ganzen
Fluges seine horizontale Lage ständig beibehalten konnte. Das in
Verbindung mit dem Bugradfahrwerk hätte für etwaige Fluggäste
leichtes Ein- und Aussteigen, aber auch gute Belademöglichkeit
ergeben. Verstellt wurde der Flügel durch elektro-mechanische
Spindeln, die an entsprechenden, am Holm angeschweißten Augen
angriffen. Bei Ausfall des Elektroantriebs konnte der Flügel von
Hand mit einer Kurbel verstellt werden. Kurze Start- und
Landestrecken wurden durch dafür entwickelte besonders wirksame
Spalt-Landeklappen nach dem Fowler-Prinzip und durch Heranziehen
der Querruder zur Auftriebserhöhung erreicht. Neuartig war auch
die Heißluftenteisung von Flügelnase und Leitwerk mit Hilfe
eines Öl-Brenners. |