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Der positive Abschluss der Werkserprobung, aber
auch die im Bereich des Kommandos der Erprobungsstellen
(K.d.E.), war wichtig, um nicht umsonst große Mengen an Material
und Arbeitskraft in leistungsschwache Entwürfe zu investieren.
Je nachdem, ob es sich um Land- oder Seeflugzeuge, um Bewaffnung
oder Ausrüstung handelte, waren verschiedene E-Stellen
zuständig. Bei allen Werken, beispielsweise bei Heinkel in
Oranienburg oder bei Junkers in Dessau, wurden die neuen
Maschinen, ob sie nun aufgrund eines direkten Auftrags des RLM
oder nur "vorsichtshalber" als Versuchsmuster hergestellt
wurden, um bei einer bevorstehenden Ausschreibung einen
Zeitvorteil zu erringen, praktisch erprobt und nach Kräften
schrittweise verbessert. Hierzu unterhielten Firmen wie die
Junkers Flugzeug und Motoren Werke (JFM) in Mitteldeutschland
ein eigenes Erprobungszentrum. Dort wurden oftmals
versuchsmäßige Waffeneinbauten vorgenommen oder neue Flügel- und
Leitwerksformen im Rahmen der Grundlagenforschung, im eigenen
Windkanal oder im Flug untersucht. |
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Die Erprobung und die zuständigen E-Stellen |
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Im Flug erfasste Meßdaten .. werden ausgewertet |
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Die Erprobungsstelle Rechlin (E-St.R.) lag nahe
des Müritzsees und war in sieben Fachabteilungen unerteilt, die
alle von einem verantwortlichen Abteilungsleiter geführt wurden
und als Erprobungsabteilungen E1 bis E7 bezeichnet wurden. So
war beispielsweise der Bereich E3 für die gesamte
Triebwerkserprobung verantwortlich. Der Leiter der E-Stelle war
seinerseits dem Technischen Amt direkt verantwortlich, das - wie
erwähnt - wiederum direkt dem RLM unterstand. Welcher immense
Arbeitsaufwand zu bewältigen war, zeigt die offizielle RLM GL/C
Liste, die 635 Nummern mit Flugzeugbezeichnungen umfasste. Von
ihnen haben allerdings nur 298 existiert, wovon jedoch nur 150
zum Fliegen kamen, 105 der Maschinen wurden in Rechlin erprobt.
Außer 16 Maschinen, die lediglich der Forschung dienten,
dreizehn unbemannten Geräten, fanden sich 27 Schwimmerflugzeuge
und Flugboote sowie 242 einmotorige und mehrmotorige
Landflugzeuge in Erprobung. Am 01.01.1944 sah die Organisation
der E-Stellen wie folgt aus: |
Kommando der E-Stellen |
Kommandeur |
Erprobungsschwerpunkte |
E-Stelle Rechlin |
Oberst Petersen, Major Daser |
Allgemeine Erprobung |
E-Stelle Travemünde |
Major Linke |
Seeflugzeuge |
E-Stelle Tarnewitz |
Major Bohlan |
Bordwaffen |
E-Stelle Jesau |
Major Starns |
Abwurfwaffen |
E-Stelle Udetfeld |
Hptm. Zober |
Ratetenbewaffnung |
E-Stelle Munster-Nord |
Stabsing. Dr. Pritzkow |
Waffenerprobung |
E-Stelle Werneuchen |
Major i.G. Cerencer |
Funk-/Radargeräte |
E-Stelle Arktis-Finse |
Stabsing, Pantenburg |
Winterausrüstung |
E-Stelle Cazeaux |
Hptm. Schlockermann |
Abwurfwaffen |

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Die Gesamtanlage der E-Stelle Rechlin im
Jahr 1944 zeigt diese Karte aus den Zielunterlagen der
8. USAAF. Infolge ständiger Luftaufklärung und wohl auch
durch Spionage waren die Alliierten über die E-Stelle
Rechlin hervorragend informiert. |
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Damit bleibt natürlich unberücksichtigt, dass
von den meisten Standardmustern zehn, zwanzig oder mehr
Unterversionen zu untersuchen waren, nachdem man beispielsweise
die Motorenanlage gegen eine leistungsfähigere ausgetauscht
hatte. Zudem galt es den Kaltstart unter Winterbedingungen zu
verbessern, die Gipfelhöhe der Einsatzmaschinen zu steigern und
die in Entwicklung befindlichen Turbinen-Luftstrahl-Triebwerke
(TL) bis zur Produktions- und Verwendungsreife zu entwickeln.
Trotz der Kriegslage lief die Erprobung im Bereich des K.d.E.
fast bis Kriegsende unvermindert weiter, wenn auch einige
Bereiche, etwa Jesau, Udetfeld und Cazeaux, stillgelegt werden
mussten. In Rechlin standen Ende Januar 1945 folgende als
besonders dringend eingestufte Vorhaben im Rahmen des so
genannten 'Führernotprogramms' an: |
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Abteilung |
Programm |
E2 |
Do 335/Do 635, Hü 211, Ho 229, Me 262 C-1a/-2b, Hubschrauber |
E3 |
DB 605D, BMW 801 TS, DB 603L und die Luftschraube MeP 8 |
E4 |
Funk-Notprogramm (vereinfachte Funkgeräte) |
E5 |
Drosselkompass, Kurssteuerung, Farbfilm und 3-Achsensteuerung |
E6 |
Signal- und Markierungs-Munition |
E7 |
Bomben (Notprogramm), TSA 2D, BZA, Lotfe 7 und Lotfe 8 |
E10 |
Werk-, Ersatz- und Betriebsstoffe |
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In den auswärtigen Erprobungszentren befasste man sich selbst 1945 noch mit einer Vielzahl unterschiedlicher Geräte und Waffen: |
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Ort |
Programm |
Tarnewitz |
Sondergeräte SG 113A, SG 117, SG 500, R 100 BS, Panzerblitz Pb 1 und Pb 2, Werfergranate Wgr. 42 sowie Fla-Lafetten |
Karlshagen |
Bordraketen 8-344, 8-347, Flakzielgerät 8-246, Boden-Luft-Rakete 8-117, BMW 003R und Ar 234 mit Hs 293-Bombe |
Travemünde |
Minen, Gerät "Kurt", Mistel, Hochgeschwindigkeitsabwürfe mit L 10, 11, 30 und 40, Fw 190/Ar 234 mit Torpedo |
Stade |
gesamtes Funknotmessprogramm |
Einer der letzten bekannten Erprobungsberichte
datiert vom 4. März 1945 und zeigt anschaulich die damaligen
Aktivitäten: Neben zehn Ar 234, fünf Do 335, einigen Fw 190 D-11/12 und Ta
152 wurden noch einige Fw 190 mit verbesserten Methanol-Wasser
(MW)-Anlagen geflogen. Infolge der immer geringeren
Kraftstoff-Zuteilung verzögerte sich die Erprobung besonders
stark. Gleiches galt für die Zuführung neuer Mustermaschinen,
die aufgrund der Ersatzteillage flugunfähig beim Hersteller
standen und nicht fristgemäß durchgeführt werden konnte. Die
Erprobung von teilweise noch unausgereiften Schulflugzeugen und
Einsatzmaschinen ging nicht ohne Verluste ab. Mindestens 200
Mann fliegendes Personal fanden hierbei den Fliegertod, unter
ihnen viele schon vor dem Krieg bekannte Piloten. Hinzu kam
zeitweise auch die Erprobung von gegnerischen Flugzeugen. |
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E-Stelle Werneuchen |
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E-Stelle Rechlin |
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Dies war für die dafür eingesetzten
Flugzeugführer gleichfalls nicht ungefährlich, da zwar oftmals
flugklare Maschinen erbeutet wurden, jedoch fast immer die
Flugzeughandbücher und Bedienungsanweisungen fehlten. Die
Aufgabe wurde später vom Versuchsverband des Oberbefehlshabers
der Luftwaffe (O.b.d.L.) übernommen. Am 25. August 1944 wurde
die E-Stelle Rechlin Ziel eines alliierten Luftangriffs.
Wichtige Erprobungsvorhaben wurden daraufhin nach Lärz verlegt.
Kurz vor Kriegsende lagerte man einen Teil der noch anstehenden
Erprobungsvorhaben nach Lechfeld und Memmingen aus. Am 10.4.1945
folgte ein zweiter Angriff, was die Aktivitäten in Rechlin
nahezu zum Erliegen brachte. Von gleicher Bedeutung war die
gesamte Waffenerprobung, welche die Maschinengewehre MG 15,17,
81, 131, 151, das MG FF, verschiedene Waffenbehälter und
großkalibrige Kanonen umfasste und in Tarnewitz zusammen
mit der komplexen Erprobung von Bordraketen stattfand. |
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Me 109 G bei Waffenschusstests |
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Kurz vor Kriegsende versuchte man dort neuartige
Flugzeugbewaffnung, etwa die Sondergeräte "Rohrblock" (SG 117),
"Jägerfaust" (SG 500) und neuartige Reflexvisiere (EZ 42), bis
zur Serienreife zu erproben. Für die Tests am Boden und im
Flugstadium standen vor allem Hochleistungsflugzeuge der Typen
Fw 190, Ta 152 und Me 262 zur Verfügung. Die
Seeflugzeugerprobung fand hauptsächlich in Travemünde statt.
Begonnen hatte der zunächst noch "getarnte" Aufbau einer
Seefliegerstelle im Jahre 1922; hieraus entwickelte sich die
Seeflugstation des Reichsverbands der deutschen
Luftfahrtindustrie (RDLI), 1928 wurde diese zur
Seeflugerprobungsstelle Travemünde, aus der schließlich die
E-Stelle (See) hervorging. Dort wurden die Blohm und Voss-,
Dornier- und Heinkel-Seeflugzeuge- auf Herz und Nieren getestet.
Letzte Aktivitäten umfassten die Umrüstung der Do 18 zu
Nacht-Ubootjägern, die Erprobung von abwerfbaren Rettungsbooten,
die Schaffung der effizienten Seenot-Ausrüstung für ein- und
mehrmotorige Hochleistungsjäger sowie die Prüfung neuartiger
maritimer Abwurflasten. Die Erprobung von Funkgeräten fand in
Werneuchen statt. Bis Anfang 1945 lief in enger Zusammenarbeit
mit dem Funkforschungszentrum in Oberpfaffenhofen (FF0) dort die
Fortentwicklung der Funk- und Radargeräte. |
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Erbeutete Spitfire V, modifiziert mit Daimler-Benz DB 605 Motor |
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Die Erprobungskommandos (EK) unterstanden dem
Kommandobereich des K.d.E. und hatten den Auftrag - im Gegensatz
zur Erprobungsstaffel - Geräte und Bewaffnungen oftmals bei
verschiedenen Einsatzmustern wirklichkeitsnah zu testen und
dabei Möglichkeiten für den künftigen Einsatz zu erarbeiten oder
die technischen Erfordernisse genau zu ermitteln. Beispielsweise
waren das EK 25 und das EK 26 für die Erprobung großkalibriger
Waffen und Wurfgranaten betraut. Gleichzeitig mussten
nachgeschleppte Bomben, der so genannte "Großzerstörer" mit bis
zu 32 Wurfgranaten und andere neuartige Bewaffnungsvorschläge in
die Praxis umgesetzt werden. Die E-Stelle der Luftwaffe in
Peenemünde/West und Karlshagen befassten sich mit der Erprobung
von Gleit- und Lenkwaffen, Raketen und automatischen
Zielsuchgeräten. Besondere Bedeutung hatten die Fi 103
"Kirschkern", die Hs 293/298, aber auch die schnellen
Raketenflugzeuge des Typs Me 163 B-1/B-2. Neben den
verschiedenen E-Stellen und -Kommandos beschäftigten sich die
Aerodynamische Versuchsanstalt (AVA) Göttingen, die Deutsche
Forschungsanstalt für Segelflug (DFS), Forschungseinrichtungen
in Braunschweig, Stuttgart und Berlin schwerpunkthaft mit
luftfahrttechnischen Erprobungsfragen.
(Bild: Schienenstartversuche einer Me 163 Attrappe in
Peenemünde-West) |
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