Obgleich ihre offizielle Bezeichnung HVP
(Heeresversuchsanstalt Peenemünde) war, wurde sie in der
Öffentlichkeit unter dem Tarnnamen EMW (Elektromechanische
Werke) geführt. Nach Abschluss der A 4 Entwicklung teilte sich
die Forschungsarbeit in zwei Richtungen. Die eine befasste sich
mit der Vergrößerung ihrer Reichweite (A4b, A 9/A10), die andere
mit der Entwicklung von Antrieben, welche mit solchen
Treibstoffen betrieben werden konnten, welche die schwere
angeschlagene deutsche Industrie leichter produzieren konnte. So
entstand die A 6, basierend auf der A 4 aber mit einem
Triebwerk, welches mit "Visol" lief (einem Brennstoff aus
Vinyl-Ester) und mit SV-Stoff oder "Salbei" (98 prozentige
Salpetersäure). Auch die A 8, beinahe baugleich mit der A 6,
lief mit diesen Treibstoffen und mit Dieselöl. Die wichtigsten
Forschungen waren jedoch jene zur Verlängerung der Reichweite
der A 4. Die bekannteste Weiterentwicklung, die A 4b, bestand
aus einer A 4 mit gepfeilten Tragflächen und vergrößerter
Leitwerksfläche. (Bild: Entwurf der zweistufigen
Interkontinentalrakete A 9/10)
Von Braun schreibt in seiner Biographie von
einer bemannten A4b mit Fahrwerk für Steuerungsversuche, um die
Reichweite der A4 zu verdoppeln. Es erfolgten nur zwei Starts,
die bewiesen, dass die Oberfläche der Tragflächen für den
Wiedereintritt in die Atmosphäre wirklich ungeeignet war.
Für die A 7 verwendete man den Rumpf einer A 5, um die
Flugeigenschaften einer neuen Tragfläche zu ermitteln (Deltaform
mit hohler Nase), vorgesehen für die Interkontinental-Rakete A
9. Die Reaktion des Heeres auf die amerikanischen Angriffe war
der Entwurf der "Amerika-Rakete", ein gigantisches Waffensystem
von großer Reichweite, basierend auf der Zweistufenrakete A 9/A
10 und in der Lage, New York zu treffen. (Bild: Skizze des
bemannten A 9 Raketenprojektes)
Die A 10 war eine sehr große
Beschleunigungsrakete mit der Aufgabe, die A 4 mit deren
gesamten Treibstoffvorrat auf 24.000 m Höhe zu bringen und damit
ihre Reichweite zu vervielfachen. Das Originalprojekt schloss
die Verwendung eines Versuchsmodells ein, angetrieben von sechs
Brennkammern des A 4 - Typs mit einfacher Venturidüse. Die
verwendete Technologie war bereits bekannt (flüssiger Sauerstoff
und Alkohol plus Wasserstoffsuperoxyd für die Turbopumpen) und
ausreichend, um die Machbarkeit des Projekts zu beweisen. An
einer etwas fortgeschritteneren, auch für den Einsatz
vorgesehenen Version wurde gearbeitet: die A 9 mit größerer
Gleitstrecke und mit einer Sprengladung von 910 kg Amatol 60/40
sollte die A 4 ersetzen. Mit einer besonderen Funksteuerung
versehen, sollte ihr Flug von Radarpositionen auf U-Booten
gelenkt werden. Um die Genauigkeit zu verbessern, war auch eine
bemannte Ausführung vorgesehen. Für die Einsatzversion der A 10
war vorgesehen, sie mit einem außergewöhnlich großen Triebwerk
zu versehen, welches für den Treibstoff "Salbei" (Salpetersäure)
und Dieselöl geeignet war. Sie waren einfacher herzustellen und
zu lagern als kryogene Treibstoffe.
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