Einleitung: Das am 19. November 1944 aufgestellte JG 7 war der größte und
mit ca. 200 bestätigten Abschüssen der erfolgreichste Me
262-Verband der Luftwaffe. Zu diesem Geschwader gehörte auch
Fähnrich Hans Guido Mutke, als er am 25. April 1945 mit seiner
"Weissen 3" von Fürstenfeldbruck aus startete. Stunden später
befand er sich bereits in Dübendorf in der Schweiz. Was war
geschehen?
Am 23. April 1945 kam Fähnrich Mutke mit einer
Versetzungsverfügung bei der 3.Staffel des JG7 auf dem
Fliegerhorst Fürstenfeldbruck an, nachdem er seine Umschulung
von der Bf 110 auf die Me 262 unter Major Heinz Bär beim 10./EJG
2 im Lager Lechfeld beendet hatte. Am folgenden Tag waren die
amerikanischen Panzereinheiten nur noch ca. 50km vom Flugplatz
entfernt. Das JG7 bereitete sich für eine Verlegung nach Bad
Aibling vor. Die Räumungsarbeiten waren in vollem Gange, als man
feststellte, dass noch eine außerhalb des Flugplatzes im Wald
stehende Me 262 vergessen worden war. Fähnrich Mutke bekam den
Befehl, die stehen gelassene Maschine nach Bad Aibling zu
überfliegen.
Doch lassen wir nun Herrn Mutke selbst berichten:
Auf dem Platz waren nur noch drei Leute, ein Feldwebel und zwei
einfache Soldaten. Sie waren technisch nicht in der Lage die
Maschine zu bedienen. Außerdem wusste ich gar nicht, wie lange
die Maschine dort schon stand und ob sie getankt war. So bin ich
dann am Nachmittag des 24. April zur Me gegangen. Die stand ca.
drei Kilometer entfernt vom Flugplatz. In einer Holzhütte waren
einige Fremdarbeiter. Sie standen nur herum, hatten die Hände in
den Taschen und guckten mich groß an. Ich versuchte unterdessen
das Flugzeug zu starten, was mir aber nicht gelang. Nachdem ich
den Feldwebel und die zwei Soldaten herbeigeholt hatte,
versuchten wir es noch einmal mit vereinten Kräften. Es war uns
aber am 24. April nicht mehr möglich, die Maschine in Gang zu
kriegen. Am Morgen des 25. April ist es uns dann gelungen das
Flugzeug zu starten. Doch war das ein ungeheures Risiko. Ich
wusste nicht, woher die Maschine kam. Ich wusste nicht, wie
lange sie schon da stand. Also war das Ganze schon ein gewagtes
Unternehmen. Wir stellten dann fest, dass die Maschine kaum noch
Sprit im Tank hatte. Mit einem Kettekrad zogen wir sie an die
Tankstelle beim Flugplatz. Um das Tanken abzukürzen, das wegen
den feindlichen Jabos sehr gefährlich war, steckte der Tankwart
zwei Schläuche rein, in beide Behälter je ein Schlauch. Ich saß
auf der Maschine und beobachtete den Himmel. Das sah ich
plötzlich 25 bis 30 amerikanische Marauders im Anflug auf den
Platz. Ich brüllte und der Tankwart riss beide Schläuche raus.
Schnell ließ ich die Maschine an und versuchte zu starten. Um
Bruchteile von Sekunden konnte ich gerade noch einigen
Bombentrichtern ausweichen, bevor meine Me 262 endlich abhob.
Dann ging's sehr schnell: 500...600...700...800 km/h.
Als die gegnerischen Bomber sahen, saß ich in der Luft war,
drehten sie nach Südwesten Richtung Bodensee ab und flogen in
die Wolken. Inzwischen hatte ich bemerkt, dass das Flugzeug
aufmunitioniert war. Ich versuchte den Marauders zu folgen und
flog über die Wolken. Doch konnte ich den Pulk nicht mehr wieder
finden. Danach habe ich mich endlich einmal der Maschine
gewidmet und sah, dass ich viel zu wenig Treibstoff an Bord
hatte, um Bad Aibling zu erreichen. Was sollte ich nun machen?
Ich war über besetztem Gebiet, also nördlich vom Bodensee. Da
waren die Franzosen. Und in deren Hände wollte ich nicht
geraten. Abspringen mit dem Fallschirm war auch sonst schon
gefährlich genug. Eine Außenlandung mit der Maschine war fast
nicht möglich, da sie hängende Triebwerke hatte, welche das
Erdreich aufschaufelten, und sich die Me dadurch überschlagen
konnte. Darum entschloss ich mich für eine Wasserlandung auf dem
Bodensee, falls der Treibstoff noch reichen sollte. As ich den
Bodensee erreichte, dachte ich, wenn noch ein wenig Treibstoff
übrig ist, kann ich ja versuchen, in der Schweiz zu landen. Ich
kannte aber keine Schweizer Städte. Ich kannte Zürich nicht,
hatte keine Karte und war noch nie in der Schweiz gewesen. Die
Schweiz war für mich "Terra Inkognita".
Als ich am Südrand des Bodensees ankam, zeigte der
Treibstoffvorratsmesser schon Null. Da sah ich in ca. 70
Kilometer Entfernung eine große Stadt. Das war Zürich, was ich
aber damals noch nicht wusste. Ich dachte mir, so eine große
Stadt müsste doch einen Flugplatz haben. Sonst hätte ich die
Maschine in den See schmeißen müssen. Ich hatte Angst, dass
jeden Augenblick die Triebwerke stehen bleiben würden. Doch gab
es da noch ein weiteres Problem. Ich flog mit 800 bis 900 km/h
über neutrales Gebiet. Meine Me 262 konnte leicht mit einer V1
oder V2 verwechselt und von der Flak beschossen werden. Schon
hatte ich den Flugplatz von Dübendorf im Visier, dessen
Landepiste damals - glaube ich - nur 800 bis 900 Meter lang war.
Das war zu kurz für mich. Ich konnte aber nicht mehr
durchstarten, denn wenn gerade vor der Landung die Triebwerke
stehen geblieben wären, Hätte ich keine Chance mehr gehabt. Wie
mir der Platzkommandant später erzählte, dachten sie
tatsächlich, eine verirrte V1 oder V2 würde da angeflogen
kommen.
Ich hatte Angst, dass die Flak versuchen würde, mich
abzuschießen. Ich flog in ca. 3000 Meter Höhe an. Schon weit vor
dem Platz ging ich runter auf 20 Meter und überflog den Platz
mit Volllast, damit die Schweizer nicht auf mich schießen
konnten. Ich flog dann weiter Richtung Osten, zog die Maschine
senkrecht nach oben und machte eine 180-Grad-Wendung.
Anschließend habe ich das Fahrgestell ausgefahren, damit man
unten sah, dass es sich um ein bemanntes Flugzeug handelte. Als
ich dann die Fahrt auf ca. 260 km/h zurücknahm, folgten mir vier
schweizer Morane-Jäger und wiesen mich zur Landung ein. Aber ich
konnte so nicht landen, wie die es gerne haben wollten. Da
dachte ich schon, die eröffnen das Feuer, weil ich nicht das
machte, was sie mir signalisierten. Um eine möglichst lange
Piste zu haben, landete ich diagonal zum Platz. Wie ein
Verrückter stand ich auf den Bremsen. Ungefähr 30 Meter vor den
amerikanischen Bombern, die alle in einer Ecke des Platzes
abgestellt waren, stand dann die Maschine still (Anmerkung des
Verfassers: gemeint sind die in der Schweiz not gelandeten und
internierten amerikanischen Bomber). Ein paar Wagen kamen auf
mich zugerast. U.a ein LKW mit einem Maschinengewehr und zwei
Soldaten, die sich daran festhielten, weil der Flugplatz so
uneben war. Sie winkten. Ich sollte hinterher rollen. Sie
dirigierten mich zur Flugleitung, wo 60-80 Soldaten warteten.
Einer der Soldaten brüllte einen Befehl, woraufhin alle anderen
ausschwärmten und sich rund um das Flugzeug aufstellten.
Nun wusste ich wirklich nicht, was ich machen sollte. Ich
schaute in lauter Gewehrmündungen und wartete ab, was geschah.
Da ich schon ahnte, dass ich danach die Maschine nicht mehr
sehen würde, habe ich im Cockpit ein wenig aufgeräumt und meine
Sachen an mich genommen. |